Torres del Paine – O-Trek – Teil 4

Wasser und Eis
Diese Etappe ist naß, matschig und kalt. Die Wolken hängen tief in den Bergen und der dichte Wald wirkt mystisch. Wir laufen den gesamten Tag über am, über und oberhalb des rauschenden Rio Perros entlang, bis wir in der Ferne einen ersten Blick auf den Glaciar Los Perros erhaschen. Ein Gaucho überholt uns mit seinen Lastpferden, die in dieser abgelegene Region die einzige Möglichkeit darstellen, Proviant zu und Müll vom Refugio Los Perros zu transportieren. Über ein kleines Geröllfeld erreichen wir den Gletschersee des Glaciar Los Perros – es ist kalt und Schneeregen setzt ein. Kurz hinter der Gletscherlagune in einem Waldstück versteckt sich der spartanisch ausgestatte Zeltplatz Los Perros. Die Nacht ist kalt und man spürt förmlich die Nähe des großen patagonischen Eisschilds, das wir morgen erreichen.

Der Pass
Wir starten früh, denn heute steht die herausforderndste Etappe des O-Trek an – die Querung des berüchtigten John-Garner Passes. Die Wetter- und vor allem Windverhältnisse auf dem Pass sind nicht selten derart extrem, dass eine Überquerung des Passes unmöglich ist. Die Chance für mildere Bedingungen ist vormittags deutlich höher, so dass sich die Wanderer in der Morgendämmerung durch knorrige Südbuchenwälder über schlammige wurzeldurchsetzte Wege kämpfen. Am frühen Vormittag erreichen wir eine Lichtung und sehen den Pass in der Ferne. Die Sonne blinzelt durch die Wolken. Der Pass und das davor liegende Geröllfeld sind teilweise von einer Schneedecke bedeckt. Ameisengroße Wanderer schrauben sich in der Ferne das Geröllfeld empor. Wir tauchen erneut in ein kleines Waldstück ein und erreichen dann den Anfang des Geröllfelds. Im Zickzack mäandern wir durch eine Knie tiefe Schneedecke und der Himmel zieht zu. Langsam nähern wir uns dem berüchtigten Pass. Fragmente von Youtube-Filmen, in denen Wanderer durch kraftvolle Böen in die Luft geschleudert werden, kapern mein Gehirn. Der Puls steigt, aber der gefürchtete Wind bleibt aus. Wir queren den Pass bei Windstille. Es schneit wie im Wintermärchen und wir sehen die Ausläufer des mächtigen Eisfeld vor uns durch die Wolken aufblitzen. Jetzt geht es nur noch bergab. Das Terrain ist steil und der Boden unter der Schneedecke matschig. Der Abstieg ist beschwerlich, der Boden glatt wie Schmierseife und wir feiern bei jedem Schritt unsere kostbaren Wanderstöcke, ohne die wir aufgeschmissen wären. Die Stöcke bewahren mich allerdings nicht davor, mehrfach auszurutschen und auf dem Hinterteil kurze Rutschpassagen im Schlamm zurück zu legen. Zum Glück gibt es immer eine rettende Krüppelkiefer in Griffweite. Am Refugio Passo ist das schlimmste überstanden und der Weg führt moderat entlang des beeindruckenden Grey Gletschers, der immer wieder unsere Blicke fesselt. Bis zum Refugio Grey gilt es noch drei Hängebrücken von beeindruckender Länge und Schwingkraft zu überwinden, was uns einiges an abverlangt. Erschöpft und überglücklich erreichen wir das Refugio Grey nach 12 Stunden auf den Beinen.

Am Ziel
Unsere letzte Etappe von Refugio Grey nach Paine Grande, wo wir gestartet sind, führt gefühlt wieder zurück in die Zivilisation. Wir brechen spät auf und sind überrascht von der anstrengenden Wegführung, die etliche Höhenmeter für uns bereit hält. Auch der Wind entspricht heute dem Klischee von Patagonien und gibt uns Contra. Erschöpft und überglücklich erreichen wir unseren Start- und Zielpunkt, das Refugio Paine Grande, schlagen ein letztes Mal unser Zelt auf und genehmigen uns ein opulentes Mal im Restaurant des Refugios.